Direkt zum Hauptbereich

Posts

Es werden Posts vom September, 2021 angezeigt.

Nicht das, was die Menschen gleich macht, ist das Wesentliche, sondern das, was sie voneinander unterscheidet

  "Alle Eltern kennen es", schreibt die "NZZ am Sonntag" vom 26. September 2021: "Kaum hat der Nachwuchs den ersten Schrei getan, wird er auf die Waage gelegt und seine Grösse gemessen. Diese beiden Zahlen sind, neben Geburtszeit, Datum und Ort, die ersten statistischen Angaben, die von jedem Neugeborenen erfasst werden. Es ist die Stunde null der Vermessung des Kindes. Ab dann folgt ein Reigen der Abklärungen und Tests, der nicht mehr abreissen will: Frühförderung, Zeugnisse, Standortbestimmungstests, Übertrittsprüfung, Matura, Berufseignungstest, Lehrabschlussprüfung. Noch nie in der Geschichte der Bildung wurden Kinder so früh und so permanent abgeklärt und schubladisiert. Und noch nie hat dies bei den Eltern so viele Ängste ausgelöst: Sind die anderen Kinder besser als unseres? Entspricht unser Kind der Norm? Müssen wir es gezielter optimieren? Braucht es Frühförderung, Stützunterricht oder eine Therapie?" Es gibt wohl wenige gesellschaftliche Entwickl

Schweizerischer "Bildungsgraben": Eine Studie der UBS und ihre fragwürdigen Schlussfolgerungen

  In 19 Kantonen sind die Menschen nur halb so gebildet oder noch weniger als im Kanton Zürich - dies das Fazit eines Kantonsrankings, durchgeführt von der UBS. In einem Artikel, der sich mit dieser Studie beschäftigt, spricht das "Tagblatt" vom 13. September 2021 von einem eigentlichen "Bildungsgraben", der die Schweiz durchlaufe. Und wörtlich: "Landauf landab ist der grössere Teil der Schweizer Bevölkerung nur halb so schlau wie die Zürcherinnen und Zürcher." Eine äusserst fragwürdige Schlussfolgerung, die auf der Annahme beruht, dass die Intelligenz eines Menschen von der Anzahl Jahre abhängt, während denen er eine Schule oder eine höhere Bildungsinstitution besucht hat. Bildung ist tatsächlich aber weit mehr und weit anderes als bloss die Summe absolvierter Schulstunden. Bildung in einem umfassenden Sinn ist auch Lebenserfahrung, ist auch all das an Erfahrungen und Kenntnissen, was sich ein Mensch im Laufe seines Lebens autodidaktisch aneignet, ist auc

Inspiration und Kreativität: Weshalb sollte das, was für null- bis vierjährige Kinder gut ist, nicht auch für Sieben- und Zwölfjährige gut sein?

  Lapurla, eine nationale Initiative von Migros-Kulturprozent und der Hochschule der Künste Bern, bringt Forderungen nach einer Ausweitung kreativer Freiräume und kultureller Teilhabe für Kinder von null bis vier Jahren aufs politische Tapet. Konkret: Schon kleinsten Kindern sollen ästhetische Erfahrungen ermöglicht werden. Dabei sollten die Erwachsenen dem Kind nicht primär helfen, sondern eine geeignete Lernumgebung schaffen und sie dann mit Fragen und Aufmerksamkeit begleiten. Kinder sollten nicht mit Belehrungen, Ratschlägen und Bewertungen eingedeckt werden, sondern sie sollten eingeladen, ermutigt und inspiriert werden, möglichst viel selber auszuprobieren. Die Erwachsenen sollten sich nicht überlegen, was die Kinder interessieren könnte, sondern einfach genau hinsehen und hinhören, was die Kinder den Erwachsenen signalisieren, und darauf eingehen. Denn sich selbst als forschend und die Welt als gestaltbar und veränderbar zu erleben, dies stärke die Persönlichkeit und schaffe Cha

Die Schule muss zu einem Ort der Lebensfreude und des Wohlbefindens werden

  Eines von drei Kindern fürchtet sich vor der Schule. 44 Prozent der 14Jährigen leiden unter einer oder mehreren chronischen Beschwerden. Die Hälfte der Jugendlichen haben akute Schlafstörungen. 70 Prozent der Schülerinnen und 49 Prozent der Schüler fühlen sich häufig oder sehr häufig gestresst. Zahlen aus dem 2018 veröffentlichten Forschungsbericht HBSC (Health Behaviour in School-aged Children), die uns zutiefst zu denken geben müssen. Zumal der Zusammenhang zwischen den körperlichen und seelischen Beschwerden der Kinder mit ihrer schulischen Situation offensichtlich ist. Würden ein Drittel oder die Hälfte aller Kundinnen und Kunden irgendeines Produktes krank, dann wäre dieses Produkt schon längstens aus dem Sortiment des Supermarkts entfernt worden oder hätte die Firma, welches das Produkt hergestellt hat, schon längstens dichtgemacht. Nur die Schule ist offensichtlich ein so heiliger Mythos, dass niemand daran zu rütteln wagt. Oder packt man die Missstände etwa nur deshalb nicht

Deutsches Bildungssystem: Man macht es sich zu einfach, wenn man die Schuld an der sozialen Spaltung der Schule in die Schuhe schiebt

  "Soziale Spaltung bleibt die offene Wunde unseres Bildungssystems" - so titelt der "Spiegel" vom 1. September 2021. Gemäss dem Artikel "dümpelt das deutsche Schulsystem vor sich hin". Aufgrund von Ergebnissen mehrerer nationaler und internationaler Schulleistungsstudien sei eine "Konstanz sozialer Ungleichheit in und durch Deutschlands Schulen" festzustellen. Ein Grundschulkind von Eltern aus Dienstleistungsberufen hätte 2001 eine um den Faktor 2,36 höhere Chance auf eine Gymnasialempfehlung gehabt als ein Kind aus dem Arbeitermilieu. Dieser Indikator hätte sich seither kontinuierlich verstärkt und liege heute bei 3,37. Solche Schuldzuweisungen an die Schulen erscheinen mir äusserst tendenziös und einseitig, um nicht zu sagen scheinheilig. Als wäre die Schule an der sozialen Spaltung der Gesellschaft Schuld. Die Schule ist ja nur Teil einer Gesellschaft, die bereits auch ohne die Schule zutiefst sozial gespalten ist. Wenn das Arbeiterkind und d

Die Abschaffung der Hausaufgaben: Für einmal gute Nachrichten aus China...

  Meine achtjährige Enkelin ist ein ausgesprochen friedliebendes, geduldiges und einsichtiges Kind. Aber jedes Mal, wenn sie ihre Hausaufgaben erledigen soll, erkenne ich sie nicht wieder. In einem richtigen Wutanfall wirft sie Spielsachen durch die Luft, stampft mit den Füssen auf den Boden und schleudert ihren Schulsack unter den Tisch. In solchen Momenten frage ich mich immer wieder: Wie lernresistent ist die Schule eigentlich? Vor zwanzig Jahren habe ich schon Artikel namhafter Pädagogen und Psychologinnen gelesen, wie unnötig, überflüssig, ja geradezu schädlich Hausaufgaben seien, wie oft sie zu Streit und Zwistigkeiten in den Familien führten und wie negativ sie sich auf die Leistungsunterschiede der Kinder auswirkten, da sowohl die räumlichen Bedingungen wie auch die Möglichkeit der Eltern, ihre Kinder zu unterstützen, höchst unterschiedlich seien und ausgerechnet Kinder, die bereits in der Schule Schwierigkeiten haben, dann erst recht ins Hintertreffen geraten könnten. Doch heu